7. August 2024
Früher war nicht nur mehr Lametta, sondern vor allem mehr Gebrumm: Der Bestand an Insekten in Deutschland hat sich innerhalb der letzten 25 Jahre um circa 76 Prozent verringert. 42 Prozent aller heimischen Insektenarten gelten inzwischen als gefährdet, verschollen oder ausgestorben.
Warum diese Zahlen eine lebensbedrohliche Katastrophe für die Artenvielfalt bedeuten und wieso gerade ein Biodiversitätsdach dabei helfen kann, dem Trend des Artensterbens endlich entgegenzuwirken, erläutern wir Ihnen in diesem Beitrag.
Mit Smartphone, Dienstwagenprivileg und Jahresurlaub betrachten wir Menschen uns bekanntlich gerne als Krone der Schöpfung. Dass wir dabei nur ein winziges Zahnrädchen in einem unglaublich komplexen System sind, vergessen wir dagegen schnell.
Denn wenn immer weniger Insekten ausschwärmen, werden auch immer weniger Pflanzen bestäubt. Mit dem Klimawandel im Schlepptau ist es also wenig überraschend, dass sowohl die Artenvielfalt als auch ein Drittel unserer heimischen Pflanzenarten vom Aussterben bedroht ist.
Weniger Pflanzen heißt wiederum weniger Lebensgrundlage für weitere Tierarten. Die Biodiversität nimmt noch stärker ab, einige wenige, oft invasive, Arten setzen sich durch. Und das geht immer so weiter, bis wir von Pinienwäldern umgeben sind, in denen es stiller ist als auf einem Friedhof nach Mitternacht.
Obstbäume müssen künstlich bestäubt werden, um die Entsorgung von Pflanzenresten kümmert sich kein Regenwurm mehr, fremde Tiere schleppen Krankheiten ein, von denen wir bislang verschont wurden.
Weltweit existieren nur noch zwei Prozent echte Wildnis; in den letzten 50 Jahren haben wir 60 Prozent aller Säugetier-, Vogel-, Fisch- und Reptilienbestände sowie 80 Prozent aller Insekten vernichtet und das Artensterben um den Faktor 1.000 beschleunigt.
Ein Horrorszenario? Auf jeden Fall. Allerdings eines, auf das wir zielstrebig zusteuern.
Denn momentan unternehmen wir noch nicht genug, um den drei Hauptverursachern des Insektensterbens in unseren Landen wirkungsvoll entgegenzutreten:
Und nun? Möglichst regional einkaufen und öfter mal das Licht ausschalten? Per se keine schlechten Ideen, allerdings will auch niemand zehn Euro für einen Laib Brot bezahlen oder nachts durch stockfinstere Straßen marschieren.
Den nachhaltigsten Ansatz bietet tatsächlich die Infrastruktur, denn hoch über unseren Köpfen liegen Quadratkilometer ungenutzter Flächen: Dächer, die durch eine Begrünung zu einem wertvollen Biotop werden. Damit fördern sie die biologische Vielfalt und bieten Insekten und vielen anderen Tieren eine neue Heimat.
Dachbegrünungen sorgen einem Dreiklang gleich dafür, dass in unsere Städte und Dörfer wieder Leben einkehrt – auch abseits der Einkaufszentren und Großraumdiscotheken. Denn einmal angelegt und aufgebaut, geschieht auf einem bepflanzten Dach folgendes:
Natürlich kommen zunächst die heimischen Pflanzen; Bewuchs ist schließlich das erklärte Ziel einer Dachvegetation. Allerdings ist es erstaunlich, wie extrem die Artenvielfalt werden kann, wenn man Mutter Natur einfach machen lässt.
Gerade bei einer extensiven Dachbegrünung (also einem Biodiversitätsdach, das nicht als Garten, sondern als Biotop genutzt wird), explodiert die Anzahl der unterschiedlichen Pflanzen regelrecht. Denn ungestört und auf sich gestellt finden sich über unseren Köpfen Gewächse ein, die weiter unten kaum eine Chance hätten.
Das schönste Beispiel für die Diversität einer Dachbegrünung stammt wohl aus Erfurt: Los ging dort alles mit einem Dach, fünf Sedumarten und einer Handvoll Gräser und Kräuter. Als Forschende das Areal ein paar Jahre später unter die Lupe nahmen, entdeckten sie 56 verschiedene Pflanzenarten, darunter 36 Orchideengewächse und die seltene Teufelsklaue, die sich sonst nur noch im einsamen Thüringer Hochland finden lässt.
Sobald es grünt und blüht, stellen sich Insekten ein. Wildbienen, Laufkäfer, Schmetterlinge – sie alle ziehen ein oder schauen vorbei. Studien beziffern die durchschnittliche Anzahl an Insektenarten, die auf einem Gründach zu finden sind, auf mindestens 235 Stück. Dabei reichen bereits vier Quadratmeter naturbelassene Fläche aus, um die Menge der in der Umgebung lebenden Insekten zu verdoppeln.
Weiter geht es mit allem, was Jagd auf die krabbelnden und fliegenden Sechsbeiner macht. Achtbeiner zum Beispiel – also Spinnen. Aber keine Angst, ins Haus dringen die kleinen Räuber nicht vor, denn auf einem Biodiversitätsdach finden sie mehr als genug Nahrung und ausreichend Möglichkeiten, sich zurückzuziehen.
Sogar unter der Erde wird es lebendig. Denn selbst wenn Regenwürmer eher schlechte Kletterer sind, schaffen sie es doch irgendwie aufs Dach. Zum Beispiel, indem Vögel ihre Eier fressen und wieder ausscheiden. Aber apropos Vögel:
Extensive Dachbegrünungen bieten nicht nur Insekten und anderen Kleinlebewesen ein Zuhause, sondern können auch zu einem echten Paradies für Vögel und Säugetiere werden.
Zwar braucht es schon gute Bedingungen, bis Meisen oder Rotkehlchen ein Dach als Nistplatz akzeptieren, aber Material für den Nestbau oder Nahrung für den Nachwuchs finden sie hier in großen Mengen. Stellen Sie sich also darauf ein, dass ein begrüntes Dach bald zur Einflugschneise für unsere gefiederten Freundinnen wird.
Ganz zum Schluss kommen dann die Säugetiere. Ein dicker Feldhamster schafft es wahrscheinlich nicht bis aufs Dach, aber eine Haselmausfamilie kraxelt allemal das Fallrohr hinauf. Ungestört von Mensch und Rasenmäher sind die kleinen Nager dankbar für ihr neues Zuhause.
Zugegeben, es benötigt schon ein wenig Voraussicht, um aus einer Dachbegrünung ein richtiges Biodiversitätsdach zu machen. Mit ein paar Bahnen Rollrasen kommen Sie nicht weit. Aber wenn Sie sich an diese Tipps halten, wird aus ihrer Garage bald ein kleiner Urwald:
Unterschiedliche Insekten bevorzugen verschiedene Pflanzenarten, es gibt Wildbienen, die nur bestimmte Blüten anfliegen und abgesehen vom Winter sind Insekten ganzjährig auf Nahrungssuche.
Anstatt also einfach ein paar Pflanzenkassetten auf Ihr Dach zu stellen und auf das Beste zu hoffen, empfehlen wir vorbegrünte Module, mit einer Vielzahl unterschiedlicher Gewächse, die durchgehend blühen.
Warum vorbegrünt? Zum einen, weil der Aufbau der Dachbegrünung dann zu jeder Jahreszeit erfolgen kann. Zum anderen, weil Sie sichergehen können, am Ende nicht mit einem Dach dazustehen, auf dem sich außer Löwenzahn nichts Anderes breitgemacht hat.
Unser eigener Plantile®-16-Sorten-Mix etwa besteht – der Name lässt es erahnen – aus 16 unterschiedlichen Sedumpflanzen, die von Frühjahr bis Spätherbst Blüten tragen und damit all unseren heimischen Insekten ausreichend Nahrung bieten. Noch bunter und vielfältiger wird es mit unserem Blühstauden-Mix, der sich aus 26 unterschiedlichen Pflanzen zusammensetzt.
Jedes Tier benötigt einen leicht anderen Lebensraum – und dem können Sie bereits beim Aufbau Ihrer Dachbegrünung Rechnung tragen. Alles, was Sie dafür tun müssen, ist, auf ein paar Pflanzen zu verzichten:
Schichten Sie auf einem Teil Ihrer Dachbegrünung etwas totes Holz auf, so, als wollten Sie dort ein Lagerfeuer entzünden. Es gibt viele Tiere, die solche Holzstapel liebend gerne als Wohnstätte nutzen. Einen weiteren Teil des Daches bedecken Sie mit einem Häuflein unterschiedlich großer Steine. Ein paar Kiesel, ein paar dicke Brocken – fertig ist das nächste Minibiotop.
Wunderbar machen sich zwischendurch Nisthilfen, auch Insektenhotels genannt. Stellen Sie diesen kleinen Kasten einfach mitten zwischen die Pflanzen. Besonders ambitionierte Tierschützer:innen können zuletzt noch eine Sandlinse anlegen. Dazu decken Sie einen Teil des Daches mit einer etwa fünf Zentimeter hohen Schicht Natursand ab und sichern den Rand mit Kies.
Rund 20 bis 30 Prozent der Dachfläche sollten mit diesen Biodiversitätsmaßnahmen ausgestattet sein, um optimale Bedingungen für die unterschiedlichsten Tierarten bereitzustellen.
Um gleichzeitig für maximale Pflanzenvielfalt auf Ihrem Dach zu sorgen, sollten auch während des Winters keine kahlen Stellen entstehen. Denn hier siedeln sich im Frühjahr meist Moose an und verhindern so einen diversen Bewuchs. Entweder müssen Sie im Frühling also einmal rauf aufs Dach und das Moos entfernen, oder Sie pflanzen von Anfang an wintergrüne Gewächse an, die den ungewollten Gästen keinen Platz lassen.
Weiterhin dürfen die von Ihnen angelegten Biodiversitätsbausteine nicht überwuchert werden. Tiere haben herzlich wenig von einer Sandlinse, wenn diese unter einer dicken Schicht Geäst verschwunden ist. Die einsame Distel, die sich durch Ihren Steinhaufen gekämpft hat, dürfen Sie aber gerne stehen lassen.
Auch ansonsten gilt: Ein gut angelegtes extensives Gründach lassen Sie am besten einfach in Ruhe. Vielleicht müssen Sie es während einer extremen Dürreperiode mal wässern oder ein wenig Holz nachlegen, wenn die alten Äste verrottet sind. Aber ansonsten gilt: Finger weg! Selbst, wenn Ihr Dach im Winter nicht mehr den ästhetischen Ansprüchen eines Durchschnittsgärtners genügt: Die Natur macht das schon.
Bevor Sie sich jetzt aufmachen, um dem Artensterben den Kampf anzusagen, vergessen Sie bitte nicht:
Dächer ohne Wurzelschutz sind schnell löchriger als die Abwehr eines Kreisligaabsteigers. Deshalb überprüfen Sie vor dem Aufbau Ihrer Dachbegrünung unbedingt, ob bei Ihnen eine Wurzelschutzfolie installiert wurde. Ein Blick in die Baupläne hilft weiter.
Ist kein Wurzelschutz vorhanden oder sind die Baupläne nicht mehr auffindbar, können Sie einfach nachrüsten. Folie und Vlies erhalten Sie im Fachhandel – oder auch von uns, wenn Sie sich für das Plantile®-System entscheiden.
Pflanzen, Substrat, Steine, Holz – auf einem Gründach kommt jede Menge Biomasse zusammen und Ihr Dach muss diese zusätzliche Last aushalten können. Bitte klären Sie vor dem Aufbau unbedingt, wie groß die zusätzliche Traglast Ihrer Dachfläche ist.
Als Orientierungshilfe: Eine Plantile®-Kassette benötigt eine zusätzliche Traglast von 75 Kilogramm pro Quadratmeter. Ohne Insektenhotel und Bienenvolk. Die entsprechenden Informationen entnehmen Sie erneut den Bauplänen oder der Expertise eines Statikbüros.
Alles Wichtige nochmal im Schnelldurchlauf: Tiere und heimische Pflanzen in Deutschland sind stark bedroht; wir riskieren den Kollaps unseres Ökosystems. Eines der effizientesten (und schönsten) Mittel, dagegen vorzugehen, sind Dachbegrünungen.
Als besonders wertvoll in der Mission für mehr Artenvielfalt haben sich dabei Biodiversitätsdächer erwiesen: Ein Stapel Holz hier, ein Steinhaufen da, eine Nisthilfe dort. Dazu vielfältige heimische Pflanzen und ein bisschen Pflege, der Rest und die Artenvielfalt kommen von allein.
Bei Fragen helfen wir Ihnen gerne weiter. Außerdem sind wir für Sie da, wenn es um die Planung Ihres eigenen Gründaches geht. Kontaktieren Sie uns einfach, wir freuen uns auf Ihre Nachricht.
Coverbild: Scotty Turner
Wir lieben es über Gründächer zu sprechen
Rufen Sie uns persönlich, ganz ohne Termin an, schreiben Sie uns eine E-Mail oder kommen Sie in unsere Gärtnerei.